Intonateur Andreas Pürtinger

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So umfangreich die Aufgabengebiete im Orgelbau sind, so vielfältig sind auch die Orgelprojekte, mit denen man als Intonateur betraut ist. Darunter befinden sich auch immer wieder Instrumente, die einem im Laufe der Arbeiten besonders ans Herz wachsen: Der Transport der historischen Keates-Orgel von Leeds (England) nach München in die Pfarrkirche St. Wolfgang, sowie die Restaurierung des beinahe 100 Jahre alten Instrumentes stellen wahrlich ein solches "Highlight" dar! Das Einarbeiten in die Klangwelt der englischen Spätromantik und in die Intonationsprinzipien des englischen Orgelbauers Albert Keates im speziellen gleichen in gewisser Weise einer spannenden Reise in die Vergangenheit.


Alle Mensuren (Pfeifenmaße) wurden dabei genau aufgenommen und analysiert. Das war notwendig, um ein von Keates geplantes, jedoch nie ausgeführtes Pfeifenwerk für das erste Manual, das sogenannte "Choir Organ", neu rekonstruieren zu können. Eine besondere Herausforderung war zweifelsohne die Anfertigung des typisch englischen Hochdruckregisters "Tuba 8'". Als Vorlage hierfür diente die Hochdrucktuba der englischen Orgel in der Kathedrale von Canterbury. Dieses Instrument wurde von dem berühmten Orgelbauer Henry "Father" Willis erbaut. Die Bezeichnung „Hochdruckregister“ kommt daher, da ein vierfacher (!) Winddruck, gemessen an einem "normalen" Register, benötigt wird, um die Pfeifen zum Klingen zu bringen.


Unablässig bei den Vorbereitungsarbeiten war das Erleben und Verstehen der englischen Orgelmusik vor Ort. Im Zuge von Studienreisen konnten viele Klangbeispiele englischer Orgelmusik auch an unterschiedlichen Keates-Orgeln gehört und analysiert werden. So war es möglich, anhand einer Albert Keates–Orgel in der Baptistenkirche in Leeds, die Disposition und Klangsprache des original erhaltenen "Choir" festzuhalten. Idealerweise besitzt das Instrument eine ähnliche Größe wie die restaurierte Orgel in St. Wolfgang.


Wer aber war nun Albert Keates?


Albert Keates wurde in Staffordshire geboren und kam beim Orgelbauer John Stringer & Co. in die Lehre. Später wurde er leitender Intonateur und Stimmer bei Brindley & Foster, seinerzeit der bekanntesten Orgelbaufirma von Sheffield. 1885 machte er sich selbständig, zunächst in Zusammenarbeit mit Edwin Lowe. In den frühen 90er Jahren des 19. Jahrhunderts erwarb er an der Charlotte Road in Sheffield große Liegenschaften, die später als Sheffield–Orgelwerke berühmt wurden. In der Mitte der 1890er Jahre hatte er ein volles Auftragsbuch und er baute nun auch dreimanualige Orgeln. In einer Opusliste sind im Zeitraum zwischen 1889 und 1939 insgesamt 90 Werke vermerkt, wobei es sich entweder um Neubauten oder grundlegende Umbauten handelt.


Die bekannterweise hervorragende Intonation seiner Orgeln hat Albert Keates dem Intonateur Karl Schulze, den er von der Orgelbaufirma Brindley & Foster abgeworben hat, zu verdanken. Karl Schulze hat bei der deutschen Orgelbaufirma Edmund Schulze gelernt und hat dadurch deutsche Orgelbautradition in die Keates-Orgeln einfließen lassen. So lassen sich die teils deutschen Registerbezeichnungen wie "Wald Flute", "Rohrflöte" oder "Lieblich Gedeckt" an der Orgel hier in St. Wolfgang erklären.


Albert Keates baute diese Orgel in den Jahren 1906/07 für die evangelische Kirche in Leeds, wo sie bis zu ihrem Abbau im Oktober 2003 gestanden hat.


Mit diesem Instrument ist die Orgellandschaft Münchens um ein einzigartiges Instrument reicher geworden, das die adäquate Interpretation von englischer Orgelliteratur bzw. das Begleiten englischer Chorliteratur ermöglicht.


Abschließend möchte ich der Pfarrei St. Wolfgang und allen ihren verantwortlichen Personen, besonders jedoch dem Kirchenmusiker Stefan Ludwig meinen Dank aussprechen! Denn erst durch ihr Vertrauen wurde dieses wunderbare Projekt ermöglicht!


Möge dieses Instrument für Generationen klingen zur Erbauung der Gemeinde und zum Lobe Gottes.


Andreas Pürtinger, Intonateur