
Alle Mensuren (Pfeifenmaße) wurden dabei genau aufgenommen und
analysiert. Das war notwendig, um ein von Keates geplantes,
jedoch nie ausgeführtes Pfeifenwerk für das erste Manual, das
sogenannte "Choir Organ", neu rekonstruieren zu können. Eine
besondere Herausforderung war zweifelsohne die Anfertigung des
typisch englischen Hochdruckregisters "Tuba 8'". Als Vorlage
hierfür diente die Hochdrucktuba der englischen Orgel in der
Kathedrale von Canterbury. Dieses Instrument wurde von dem
berühmten Orgelbauer Henry "Father" Willis erbaut. Die
Bezeichnung „Hochdruckregister“ kommt daher, da ein vierfacher
(!) Winddruck, gemessen an einem "normalen" Register, benötigt
wird, um die Pfeifen zum Klingen zu bringen.
Unablässig bei den Vorbereitungsarbeiten war das Erleben und
Verstehen der englischen Orgelmusik vor Ort. Im Zuge von
Studienreisen konnten viele Klangbeispiele englischer Orgelmusik
auch an unterschiedlichen Keates-Orgeln gehört und analysiert
werden. So war es möglich, anhand einer Albert Keates–Orgel in
der Baptistenkirche in Leeds, die Disposition und Klangsprache
des original erhaltenen "Choir" festzuhalten. Idealerweise
besitzt das Instrument eine ähnliche Größe wie die restaurierte
Orgel in St. Wolfgang.
Wer aber war nun Albert Keates?
Albert Keates wurde in Staffordshire geboren und kam beim
Orgelbauer John Stringer & Co. in die Lehre. Später wurde er
leitender Intonateur und Stimmer bei Brindley & Foster,
seinerzeit der bekanntesten Orgelbaufirma von Sheffield. 1885
machte er sich selbständig, zunächst in Zusammenarbeit mit Edwin
Lowe. In den frühen 90er Jahren des 19. Jahrhunderts erwarb er
an der Charlotte Road in Sheffield große Liegenschaften, die
später als Sheffield–Orgelwerke berühmt wurden. In der Mitte der
1890er Jahre hatte er ein volles Auftragsbuch und er baute nun
auch dreimanualige Orgeln. In einer Opusliste sind im Zeitraum
zwischen 1889 und 1939 insgesamt 90 Werke vermerkt, wobei es
sich entweder um Neubauten oder grundlegende Umbauten handelt.
Die bekannterweise hervorragende Intonation seiner Orgeln hat
Albert Keates dem Intonateur Karl Schulze, den er von der
Orgelbaufirma Brindley & Foster abgeworben hat, zu verdanken.
Karl Schulze hat bei der deutschen Orgelbaufirma Edmund Schulze
gelernt und hat dadurch deutsche Orgelbautradition in die
Keates-Orgeln einfließen lassen. So lassen sich die teils
deutschen Registerbezeichnungen wie "Wald Flute", "Rohrflöte"
oder "Lieblich Gedeckt" an der Orgel hier in St. Wolfgang
erklären.
Albert Keates baute diese Orgel in den Jahren 1906/07 für die
evangelische Kirche in Leeds, wo sie bis zu ihrem Abbau im
Oktober 2003 gestanden hat.
Mit diesem Instrument ist die Orgellandschaft Münchens um ein
einzigartiges Instrument reicher geworden, das die adäquate
Interpretation von englischer Orgelliteratur bzw. das Begleiten
englischer Chorliteratur ermöglicht.
Abschließend möchte ich der Pfarrei St. Wolfgang und allen ihren
verantwortlichen Personen, besonders jedoch dem Kirchenmusiker
Stefan Ludwig meinen Dank aussprechen! Denn erst durch ihr
Vertrauen wurde dieses wunderbare Projekt ermöglicht!
Möge dieses Instrument für Generationen klingen zur Erbauung der
Gemeinde und zum Lobe Gottes.
Andreas Pürtinger, Intonateur